Album der Woche Michael Kiwanuka ist ein Meister der dunklen Töne

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Auf seinem neuen Album "Small Changes" malt Michael Kiwanuka mit sanftem Pinselstrich ein musikalisches Bild in dunklen Farben. Mit Songs, die sich wie Samt anfühlen.

Cover: Michael Kiwanuka, Small Changes, Polydor, 2024
Bild: Polydor
Cover: Michael Kiwanuka, Small Changes, Polydor, 2024

So klingt Michael Kiwanukas "Small Changes"

Auf seinem neuen Album "Small Changes" malt Michael Kiwanuka mit sanftem Pinselstrich ein musikalisches Bild in dunklen Farben. Mit Songs, die sich wie Samt anfühlen.

Bild: Polydor

Gewinnen Sie das Album "Small Changes" von Michael Kiwanuka

Am 22. November hat der am Beginn seiner Karriere enorm gehypte Londoner Musiker sein viertes Studioalbum veröffentlicht. Fünf Jahre ist es bereits her, dass Michael Kiwanuka sein selbstbetiteltes Vorgängeralbum auf den Markt gebracht hat. Eine lange Zeit für einen Singer-Songwriter, der wie alle Künstler auf das Licht der Öffentlichkeit angewiesen ist. Zudem lässt sich der Sohn ugandischer Einwanderer musikalisch in keine Schublade packen, was er mit den elf Tracks seines neuen Albums wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellt. Kiwanuka macht eben sein eigenes Ding, was aber beileibe kein Selbstläufer ist.

Ich wollte einfach etwas Schönes machen, aber gleichzeitig das untergraben, was die Leute erwarten.

Michael Kiwanuka

Michael Kiwanuka lebt seine eigene Definition musikalischer Schönheit. Er lehnt das Grelle und Plakative ab, scheint sich vielmehr in den Tiefen seiner sanft aufgeschäumten Songs verlieren zu wollen. Da ist nichts, das vordergründig aktuelle Trends oder gar den Mainstream bedient. Schließlich möchte der Londoner mit der Samtstimme gerade nicht die Erwartungen seines Publikums erfüllen, sondern sie im Gegenteil untergraben, wie er es ausdrückt. Aber so viel sei schon einmal verraten: Kiwanukas Musik entwickelt ihren ganz eigenen Sog.  

Meinem Album den Titel "Small Changes" zu geben, war für mich ergreifend, denn für mich selbst ist es eine riesige Veränderung gewesen.

Michael Kiwanuka
Michael Kiwanuka auf der Bühne mit Gitarre
Michael Kiwanuka live in Syd for Solen, Kopenhagen, Dänemark, am 9. August 2024. Bild: Imago | Gonzales Photo

Thematisch verarbeitet "Small Changes" Kindheitserinnerungen Michael Kiwanukas. Vorsichtig sich vorantastend ganz im Sinne der eröffnenden Zeile des Titeltracks: "Kleine Veränderungen lösen die Probleme." Bei seinem musikalischen Selbstfindungsprozess wurde Kiwanuka von seinen Co-Produzenten Danger Mouse und Inflo begleitet, mit denen er schon bei seinen letzten beiden Alben zusammengearbeitet hat. Hinter dem Pseudonym Inflo verbirgt sich der als einer der findigsten britischen Produzentenköpfe und Songwriter geltende Dean Josiah Cover, der unter anderem mit The Kooks und Adele gearbeitet hat und von Kooks-Frontmann Luke Pritchard als ein junger Quincy Jones bezeichnet worden ist.

Brian Joseph Burton hat sich seinen Künstlernamen nach der britischen Zeichentrickserie Danger Mouse gegeben und landete als Teil des von ihm mitgegründeten Musikprojektes Gnarls Barkley 2006 mit "Crazy" einen internationalen Top-Ten-Hit. Inflo und Danger Mouse gelang es während der gemeinsamen Arbeit an Kinwanukas zweitem Album "Love & Hate", das irrlichternde Selbstbewusstsein des jungen Musikers zu kanalisieren und ihn dazu zu bringen darüber nachzudenken, wer er überhaupt sei und was er als Künstler wirklich machen wolle. Kiwanuka selbst bezeichnet diese acht Jahre zurückliegende und für ihn wichtige Schaffensphase als seinen künstlerischen Durchbruch.

Jetzt, mit dem neuen Album "Small Changes", standen wieder Veränderungen für Kiwanuka als Künstler an. Stunde um Stunde hätten sie im Studio verbracht, berichtet der britische Ausnahmemusiker. Bisweilen habe er den Eindruck gehabt, Inflo wolle auf ewig dort bleiben. Das Studio fungierte quasi als musikalischer Gärbottich, in den man sich bisweilen auch nur zum Reden zurückzog. Letztendlich ist das aktuelle Album trotz seines Titels "Small Changes" für Michael Kiwanuka wiederum eine riesige Veränderung und die Namensgebung ein ergreifender Moment gewesen.    

Zu den Sessions haben wir uns nur sporadisch getroffen und deshalb waren sie von geradezu monströser Intensität.

Michael Kiwanuka

Kiwanuka ist durchaus ein Zweifler, seine Songs fallen ihm nicht mal eben so einfach in den Schoß. Wieder einmal war diesem nachdenklichen Musiker anfangs gar nicht so richtig klar, was er denn überhaupt vorhatte. Songwriting-Sessions fanden nur sporadisch statt, waren dafür aber von geradezu monströser Intensität, erinnert Kiwanuka sich. Dennoch fand er sich im Oktober 2023 an einem Punkt wieder, an welchem er befürchtete, dass ihm gar keine Melodien und Texte mehr einfallen würden. Tief in sich spürte er die Angst vor einer echten Schreibblockade aufsteigen, denn ihm war klar: Für je cleverer man sich hält, desto tiefer fällt man. Dann aber kam diese eine nächtliche Session, in welcher der Knoten platzte und Kiwanuka das Kommando gab, einfach loszulegen. Die ersten drei Tracks, die dann gespielt wurden, waren "Small Changes", "One And Only" und "Follow Your Dreams". Schlagartig wurde Michael Kiwanuka klar, dass er sich auf dem richtigen Weg befand, und ihm schoss durch den Kopf: „Die klingen großartig, ich liebe das!"

Ich wollte etwas Wahrhaftiges machen, denn Meisterschaft bedeutet für mich, etwas so schlicht wie möglich zu halten, es aber dennoch mit Ausdruck zu füllen.

Michael Kiwanuka
Michael Kiwanuka auf der Bühne
Michael Kiwanuka am 28. August 2022 beim All Points East Festival in London, England. Bild: Imago | FAMOUS

Sein künstlerisches Ziel hat Michael Kiwanuka sich mit "Small Changes" hochgesteckt. Mit seiner Auffassung, dass wahre Meisterschaft sich erst in Schlichtheit bei gleichzeitiger Ausdruckskraft zeige, liegt er sicherlich richtig. Dieses bestimmte Weniger-ist-mehr umzusetzen, erfordert allerdings gleichermaßen Kreativität, Augenmaß und Erfahrung. Wahrhaftigkeit ist sicherlich ein großes Wort, doch Kiwanuka erzeugt mit seinem dichten und gleichzeitig durchlässigen Sound, der ohne Druck, aber gefüllt mit intensivem Ausdruck dahinfließt, etliche beeindruckende Momente. Gekonnt spielt der Songwriter mit der sanften Stimme introvertierte Haltung, geheimnisvolle Passagen und Soulfeeling gegeneinander aus. Niemals vordergründig, denn mit einer überzeugten und überzeugenden Tiefgründigkeit erlaubt der 2012 von der BBC zum wichtigsten Newcomer des Jahres ernannte Musiker uns Einblicke in seine Seelenlage. Das kommt aber nie als Nabelschau oder gar selbstbezogener Voyeurismus rüber. Gerade darin liegt die emotionale und musikalische Stärke von "Small Changes". Kiwanukas neue Songs wirken zuallererst in ihrer gesamten Abfolge und bauen eine tiefenentspannte Atmosphäre auf, die wie gemacht ist für dunkle Winterabende.

Musik entsteht aus diesen dunklen Akkorden, sie hat in gewisser Weise etwas Unbehagliches.

Michael Kiwanuka

Wer viele Farben und rhythmische Bewegung erwartet, wird unter Umständen von "Small Changes" enttäuscht werden. Man sollte sich einfach in dieses Album hineinfallen lassen und abwarten, was es mit einem macht. Denn Michael Kiwanuka arbeitet mit feinem Pinsel und lässt die musikalische Brechstange im Werkzeugkasten. Er macht unaufgeregte Gelassenheit zu seinem Markenzeichen und arbeitet mit dunklen Tönungen, die er aber nicht im Unbehaglichen auf der Stelle treten lässt, sondern sie ganz im Gegenteil in eine wohlige, sanft erleuchtete Behaglichkeit gleiten lässt – so wie im Schlusstrack "Four Long Years". Auch wenn er im Hinblick auf sein aktuelles Album von seiner „rebellischen Seele" spricht, so bleibt er dennoch ein äußerst sanfter Rebell. Michael Kiwanukas Musik entzieht sich gekonnt aller konkreten Einordnung, sie ist eben schlicht und einfach Kiwanuka. Die Songs sind wie in fließenden Farben gemalte abstrakte Kunst, die unvermittelt anspricht und wirkt, ohne eindeutig zu werden.

Songwriting ist etwas, das ich bisweilen als einschüchternd empfinde.

Michael Kiwanuka

Michael Kiwanuka hat definitiv seinen eigenen Weg als Songwriter und Musiker gefunden. Er sieht sich nicht als belesenes Zitiergenie, sondern als jemand, dessen Songs eher Gebeten und Bekenntnissen gleichen. Kiwanuka hat seinen übergroßen Respekt vor dem Songwriting und seine Versagensängste erfolgreich ablegen können. Seine drohende Schreibblockade ist laut seiner Aussage in etwas Fantastisches umgeschlagen und hat ihm gezeigt, wozu er fähig ist, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Im Endeffekt haben ihn schon seine Gesangsaufnahmen begeistert und die fertigen Mixe steckten für ihn dann voller Vibes. Sich auf Michael Kiwanukas entspanntes Dahinströmen, sich auf diese "Small Changes" mit ihren ständig changierenden Klangfarben einzulassen, bringt musikalischen Genuss. Und der passt doch perfekt in diese auch ansonsten so genussreiche Zeit des Jahres!

Michael Kiwanuka "Small Changes"
UMI/ Polydor Records
EAN: 0602465956184
VÖ: 22.11.2024

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Das Gewinnspiel endet am 20. Dezember 2024.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 16. Dezember 2024, 14:40 Uhr

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